Donnerstag, 03.03.2016

Am zweiten Verhandlungstag ging es schwerpunktmäßig um die Frage, welche Kriterien für ein Parteiverbot aus demokratietheoretischer Sicht maßgeblich sein sollen und ob diese Kriterien auf die NPD und ihre Teilorganisationen zutreffen. Zu Beginn stellten die VerfassungsrichterInnen klar, dass sie keine Verfahrenshindernisse in Form von V-Leuten und damit keinen Einstellungsgrund sehen. Der NPD wird eine Frist von sechs Wochen eingeräumt, um sich erneut zur Sache zu äußern – anderenfalls werde ein Urteil gefällt. Das Gericht will also ein Urteil fällen, allerdings setzt es die Hürden für ein Verbot sehr hoch. Es will klären, ob die NPD für ein Verbot überhaupt relevant genug ist. Es wurde erörtet, ob die Programmatik der NPD eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweise und dies in der Vergangenheit zu tatsächlichen Handlungen und Gewalttaten führte. Die Verfahrensbevollmächtigten des Bundesrats sahen sich hier mit kritischen Fragen der RichterInnen konfrontiert und machten keine besonders gute Figur. Der NPD-Anwalt Peter Richter entschloss sich, nachdem seine Nebelkerzen-Strategie vom Vortag nicht funktionierte, inhaltlich gegen ein Verbot zu argumentieren. Es wurde ausgiebig über den für ein Verbot relevanten Ausschnitt des Grundgesetzes debattiert: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“ Richter vertrat die These, dass im Gesetzgebungsprozess nach 1945 durch einen „Redaktionsfehler“ die Worte „oder Beeinträchtigung“ im Grundgesetz gelandet sein müssten. Später präsentierte er dem Gericht 561 Seiten Erwiderungen auf den Verbotsantrag des Bundesrats und zettelte eine Debatte um das „ethnische Deutschtum“ an. Der Bundesrat betonte die aggressive und kämpferische Haltung der NPD, die dem Auftrag der politischen Willensbildung entgegenstehen würde. Die geladenen Sachverständigen vertraten unterschiedliche Positionen. Der Extremismustheoretiker Eckhard Jesse erklärte, ohne seine Methoden transparent zu machen, dass die NPD zu irrelevant für ein Verbot sei. Steffen Kailitz betonte demgegenüber die Parallelen zwischen dem Parteiprogramm der NPD und dem der NSDAP und hob wie Dierk Borstel die Vernetzung der NPD mit militanten Kameradschaften hervor. Letzterer betonte das „Klima der Angst“ in Hochburger der NPD wie etwa Anklam in Mecklenburg-Vorpommern. Die antifaschistische Journalistin Andrea Röpke berichtete von konkreten Gewalttaten und gezielten Einschüchterungen durch NPDler, betonte die Verschleierungstaktik der NPD und ging teilweise auf die im Gerichtssaal anwesenden Nazifunktionäre ein. Der NPD-Anwalt Peter Richter war beispielsweise in Jamel beim Absingen des Hitlerjugend-Lieds „Nur der Freiheit gehört unser Leben“ dabei, das 1935 von Hans Baumann für die Reichsjugendführung gedichtet worden war.
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